Die Kanzlei Recht am Ring aus Hamburg-Harburg informiert aus dem Familienrecht:
“Betreuung trotz bestehender Vorsorgevollmacht oder der ungeeignete Bevollmächtigte”
Grundsätzlich darf ein Betreuer gem. § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB vom Gericht nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen eine Betreuung erforderlich ist.
Mit einer Vorsorgevollmacht will man eigentlich verhindern, dass ein Gericht eine (8n) Betreuer/in einsetzt – man hat die betreuende Person selbst darin benannt.
Eine Betreuung trotz Vorsorgevollmacht ist dann erforderlich, wenn der Bevollmächtige ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, insbesondere weil zu befürchten ist, dass die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch jenen eine konkrete Gefahr für das Wohl dessen begründet. Dies ist dann der Fall, wenn der Bevollmächtigte wegen seiner mangelnden Geeignetheit oder Redlichkeit als ungeeignet erscheint.
Die Vorschrift des § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB lässt für den Tatrichter bei der Wahl des Betreuers keinerlei Ermessensspielraum. Unerheblich dabei ist der Wille des Betroffenen, wenn die Bestellung der vorgeschlagenen Person seinem Wohl zuwiderläuft.
Das Landgericht Oldenburg hat am 15 Februar 2021 in Bezug auf diese Thematik im folgendem Fall entschieden:
Sachverhalt
Der Beteiligte zu 1 wendet sich als Sohn der Betroffenen gegen die Einrichtung einer Betreuung für sie. Die 1950 geborene Betroffene hat zwei Kinder, die Tochter M. und ihren Sohn.
Die Betroffene errichtete am 22. Oktober 2017 eine Vorsorgevollmacht zu Gunsten beider Kinder, die sie am 28. Juli 2018 widerrief. Sie erteilte dem Sohn sodann am 29. Juli 2018 eine Vorsorgevollmacht. Aufgrund dieser und einer Bankvollmacht verwaltete dieser die Konten der Betroffenen.
Nach Eingang eines Schreibens der Tochter vom 28. Oktober 2019 zur “Anfechtung” der Vorsorgevollmacht vom 29. Juli 2018 hat das Amtsgericht einen Dritten zum berufsmäßigen Betreuer mit dem Aufgabenkreis Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge sowie Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten bestellt.
Hiergegen hat der Sohn Beschwerde eingelegt.
Das Landgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Landgericht getroffenen Feststellungen, dass der Sohn der Betroffenen weder als Bevollmächtigter (§ 1896 Abs. 2 BGB) noch als Betreuer (§ 1897 Abs. 1 BGB) geeignet ist. Ausweislich dieser Feststellungen hat der Sohn ersichtlich die Vollmacht seiner Mutter dafür genutzt, sich Geld von der Betroffenen für eigene Zwecke zu verschaffen. Außerdem ist Ihnen zu entnehmen, dass er die Betroffene wieder zu sich nach Hause holen will, damit er die Verwertung des auf seine Schwester übertragenen Grundbesitz verhindern kann.
Auch auf den Vorschlag der Betroffenen kann ihr Sohn mithin nicht zu ihrem Betreuer bestellt werden, weil es dem Wohl der Betroffenen zuwiderlaufen würde (§ 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB).
Sollten Sie noch weitere Fragen haben oder mehr Informationen zu diesem Thema aus dem Familienrecht wünschen, steht Ihnen die Kanzlei Recht am Ring aus Hamburg-Harburg gerne zur Verfügung.
Quelle: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11 Mai. 2022 XII ZB 129/21