Familienrecht: Gemeinsame Immobilie nach Scheidung?

Die Kanzlei Recht am Ring informiert aus dem Familienrecht:
“Gemeinsame Immobilie nach Scheidung:  Wer kann drin wohnen bleiben, wenn sich die Ex-Eheleute darüber streiten?”
Hier zwei querschnittsgelähmte Ex-Ehegatten, die gemeinsam Eigentümer einer Immobilie sind, die sich noch gemeinsam bewohnen.
Geregelt ist das grundsätzlich in § 1568a BGB:
1. Wohnen die Eheleute in einem ihnen gemeinsam gehörenden Haus, so kann ein Ehegatte anlässlich der Scheidung gem. § 1568a Abs. 5 BGB verlangen, dass ihm das Haus auf der Grundlage eines Mietvertrags zu ortsüblichen Bedingungen zur alleinigen Nutzung überlassen wird. Der Anspruch auf die Begründung eines Mietverhältnisses erlischt 1 Jahr nach Rechtskraft des Scheidungsurteils.
2.Darüber hinaus hat der Ablauf der Ausschlussfrist auch das Erlöschen des Anspruchs auf Überlassung der Wohnung zur Folge.
Interessant wird es, wenn keine Kinder vorhanden und beide Eheleute scheinbar exakt die geleichen Besonderheiten mitbringen. Wie ist dann zu enstcheiden?
Das OLG Frankfurt a.M. hat in einem solchen Fall am 18.5.2022  zum Aktenzeichen 6 UF 42/22 entschieden:
Dabei ging es  in dem Verfahren um ein Wohnungszuweisungsverfahren zwischen zwei kinderlosen querschnittsgelähmten Ex-Ehegatten .
Die Zuweisung einer gemeinsamen Ehewohnung nach Scheidung eines kinderlosen Ex-Ehepaares richtet sich vorrangig danach, wer stärker auf ihre Nutzung angewiesen ist. Wer hat das geringere Einkommen? Wer hat auf dem Wohnungsmarkt schlechtere Chancen, eine neue Wohnung zu finden?  Sind beide Ehegatten – wie hier -querschnittsgelähmt, sind in die Abwägung insbesondere der Grad der Pflegebedürftigkeit sowie die sozialen Bindungen an das Umfeld einzubeziehen.
Worum ging es?

Die Ex-Eheleute hatten 2005 geheiratet und sind seit 2021 rechtskräftig geschieden. Die Ehe blieb kinderlos. Beide streiten seitdem um die Überlassung der in ihrem Miteigentum befindlichen Ehewohnung. Diese befindet sich im Elternhaus des Antragstellers. Die 130 qm große Wohnung verfügt über ein Wohn- und ein Schlafzimmer, eine Küche, einen Flur, einen Anbau und zwei behindertengerechte Bäder. Gegenwärtig nutzt der Antragsteller das Schlafzimmer und ein Bad und die Antragsgegnerin das Wohnzimmer und ein Bad.
Der Antragsteller ist seit 1984 querschnittsgelähmt und auf tägliche Pflege in Form der Unterstützung beim An- und Entkleiden sowie beim Toilettengang angewiesen. Seine seit 2018 beschäftigte Pflegekraft ist mittlerweile seine Lebensgefährtin. Die Antragsgegnerin ist seit 1976 querschnittsgelähmt und ebenfalls, wenn auch nicht im selben Umfang, auf eine Pflegekraft angewiesen. Sie benötigt keine Hilfe beim Toilettengang.
Das AG hatte die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller die Wohnung ab dem 1.7.2022 zur alleinigen Nutzung zu überlassen. Dagegen legte die Antragsgenerin Beschwerde beim OLG Frankfurt ein.
Das OLG verlängerte nun die Frist bis zur Überlassung der Wohnung bis zum 1.11.2022 und wies im Übrigen die Beschwerde der Antragsgegnerin zurück. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Was gab es für Gründe?
Ein Ehegatte kann die Überlassung der Ehewohnung anlässlich der Scheidung u.a. dann verlangen, wenn er auf deren Nutzung in stärkerem Maße angewiesen ist als der andere oder wenn die Überlassung aus anderen Gründen der Billigkeit entspricht. Dabei sind sämtliche die Lebensverhältnisse der Ehegatten bestimmenden Umstände in eine Gesamtabwägung einzustellen.
Im vorliegenden Fall ist der Antragsteller insbesondere wegen der erforderlichen Anwesenheit einer Pflegeperson auf eine größere Wohnung angewiesen als die Antragsgegnerin. Der Pflegebedarf des Antragstellers übersteigt somit den der Antragsgegnerin. Der Antragsteller hat zudem bereits vor Einzug der Antragsgegnerin in der Wohnung gewohnt und ist in dem Ort, an dem er seit 1987 lebt, sozial verwurzelt. Sein Bruder wohnt ebenfalls im Haus.
Zu berücksichtigen war auch, dass der Antragsteller eine in seiner Nähe wohnende Lebensgefährtin hat. Trotz seiner besseren wirtschaftlichen Verhältnisse ist er damit stärker auf die Nutzung der Ehewohnung angewiesen als die Antragsgegnerin, die insbesondere nicht über vergleichbar intensive Bindungen im Ort verfügt.
Ergänzend war zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Billigkeitsabwägung auch dem schützenswerten Interesse des Antragstellers, im elterlichen Haus wohnen zu bleiben, erhebliches Gewicht zukommt. Der Umstand, dass die Antragsgegnerin an der Finanzierung des Wohnungskaufes beteiligt gewesen war, konnte den höheren sozialen Bezug des Antragstellers zur bewohnten Wohnung nicht mindern. Die Überlassungsfrist war jedoch wegen der erheblichen Schwierigkeiten der Antragsgegnerin, angesichts ihrer körperlichen Einschränkungen angemessenen Ersatzwohnraum zu finden, bis November zu verlängern.
Quelle: OLG Frankfurt a.M. – PM v. 30.5.2022
Sollten Sie noch weitere Fragen haben oder mehr Informationen zu diesem Thema aus dem Familienrecht wünschen, steht Ihnen die Kanzlei Recht am Ring aus Hamburg-Harburg gern zur Verfügung. 

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