Familienrecht: Fremdunterbringung eines Kindes wegen Belastung durch Sorgerechtsstreit seiner Eltern?

Die Kanzlei Recht am Ring informiert aus dem Familienrecht:

“Wann ist eine Fremdunterbringung verhältnismäßig?”

Mit dieser Frage hat sich das Oberlandesgericht Frankfurt am Main im Juli 2023 befasst (Urteil vom 27.07.2023 – 1 U 6/21).

Ein Junge hat die Stadt Frankfurt am Main auf Schadenersatz verklagt, weil er mit sechs Jahren in einem Kinderheim untergebracht wurde. Zwischen den Eltern herrschte ein Streit um das Sorgerecht. Der Junge lebte vor der Fremdunterbringung bei seiner Mutter und hatte regelmäßig Umgang mit seinem Vater. Nachdem der Vater dem Jugendamt mitteilte, dass der Sohn von der Mutter geschlagen werde, wurde dem Jugendamt vom Familiengericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen und der Junge wurde in einem Kinderheim untergebracht. Die Eltern stimmten der Unterbringung erst zu, widerriefen diese Zustimmung nach knapp drei Wochen aber wieder. Trotzdem lebte der Junge knapp vier Monate im Kinderheim, bis der familiengerichtliche Beschluss schließlich vorläufig ausgesetzt wurde. Der Junge lebte dann bei seiner Mutter, bis kurz danach das Sorgerecht auf den Vater übertragen wurde.

Der Junge verklagte die Stadt Frankfurt am Main auf Schadenersatz wegen der Trennung von seinen Eltern. Das Oberlandesgericht bewertet die anfängliche Inobhutnahme des Jungen, auch aufgrund der Zustimmung der Eltern, als unproblematisch. Dass sich jedoch die zuständige Mitarbeiterin des Jugendamtes nach Ablauf einer kurzen Zeitspanne weiterhin für eine Unterbringung im Kinderheim entschieden hat, sei eine pflichtwidrige Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts.

Begründung:

Die Fremdunterbringung muss immer verhältnismäßig sein und ist nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt. Das ist z.B. der Fall, „wenn der permanente Elternkonflikt das Kindeswohl in hohem Maße und mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet“. Es muss also zwischen den Folgen für das Kind bei Verbleib bei seinen Eltern und den Folgen für das Kind bei einer Fremdunterbringung abgewogen werden. Auf Grundlage dieser Abwägung ist dann die für das Kind weniger gravierende Option zu wählen.

Auch bei einem intensiven und langwierigen Streit der Eltern über das Sorgerecht ist die Belastung, die die langfristige Trennung des Kindes von seinen Eltern mit sich bringt, nicht gerechtfertigt. Hinzu kommt in diesem Fall, dass die Gefahr der erneuten Misshandlung durch die Mutter mit einer Unterbringung beim Vater hätte begegnet werden können, bis über Sorgerecht entschieden ist.

Die Stadt als Trägerin des Jugendamts wurde zur Zahlung von 3.000 € Schadenersatz an den Jungen wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie zum Einstehen künftiger Schäden verurteilt.

Diese Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main unterstreicht noch einmal, dass die Fremdunterbringung eines Kindes nur in Ausnahmefällen und nach gründlicher Abwägung unter Einbeziehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vorgesehen ist.

Sollten Sie noch weitere Fragen haben oder mehr Informationen zu diesem Thema aus dem Familienrecht wünschen, steht Ihnen die Kanzlei Recht am Ring aus Hamburg-Harburg gern zur Verfügung.

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